Offener Brief
Hallo all ihr Medienmacher,
Hallo all ihr Agenturen, ihr Firmen und Unternehmen.
Hallo an all die, die Praktikanten einstellen.
Dieser offene Brief ist an euch. Na, nicht an alle. Nur an die, die ein absolut beschissenes Verhalten an den Tag legen.
Doch lasst mich vorne anfangen. Wir beide sind Studenten. Wir beide müssen Praktika absolvieren, um unsere Thesis schreiben zu können. Und wir sind beide Leute, die gerne neue Sachen lernen und erleben. Sonst würden wir nicht studieren. Sonst würden wir nicht Journalismus studieren.
Nun lese ich eine Anzeige, dass ein Radiosender einen Praktikanten sucht.
Einen
-der etwas in die Richtung studiert,
-der bestenfalls noch Erfahrung mitbringt und
-auf jeden Fall über einen längeren Zeitraum! (Anm. d. Red.: Drei Monate)
Ach und nicht zu vergessen: Bei uns kocht ihr keinen Kaffee!
Ey perfekt! Das schreit ja nach mir. Radio kann ich! Haben wir doch erst ein Praxissemester RADIO hinter uns.
Was in die Richtung studiere ich auch…
Und Erfahrung. Pah Erfahrung die hab ich auch! Ich hab doch schließlich ein Jahr lang bei einem Fernsehsender gearbeitet…
Um mich nicht selber zur sehr zu beweihräuchern, zeige ich euch nur meinen glanzvollen Auftritt vor der Veltins Arena:
Spaß bei Seite. Ich dachte einfach, dass dies die perfekte Stelle für mich wäre und ich auch echt Bock hab.
Zick, zack Bewerbung ab.
Also so zick, zack natürlich nicht, wir wissen alle, dass ich faul bin, aber das Ende vom Lied war, dass meine Bewerbung raus ging. Nachdem ich wochenlang nichts gehört habe, dachte ich, frag ich mal nach. Kann ja immer was passieren mit diesem Internet. Aber ja, die Bewerbung ist angekommen und man versprach mir, sich zu melden. Dauert nur etwas in dieser eher langsamen Zeit… Als die Taube dann endlich ihr Ziel erreicht hatte, wurde ich zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen. Alles klar. Das läuft ja super. Sofort habe ich einen Tag Urlaub eingereicht.
Ich sollte mich ein wenig über die Stadt, in der dieser Sender sitzt, informieren.
Über die Politik, den Sport und sonstiges. Also hieß es einen Abend vorher: Bullemie-Wissen anhäufen, um auf allwissend zu machen.
Heeeey, wir studieren!! Wenn wir was können, dann ist das kurzzeitig Wissen anhäufen, um es nach erfolgreicher Anwendung wieder zu vergessen…
Voller Vorfreude bin ich also zu diesem Gespräch gefahren. Ich hatte ein wirklich nettes Gespräch, indem ich erzählen konnte, was ich schon alles gemacht habe und fühlte mich gut dabei. Denn sind wir ehrlich: Ich hab schon coolen Scheiss gemacht. Also für mein Metier auf jeden Fall.
Der erste Dämpfer kam dann durch folgenden Satz: „Ja aber vergüten können wir dieses Praktikum nicht.„
Oh. Alles klar. 8 Stunden am Tag arbeiten, um dann nichts zu verdienen. Wie soll ich mein Leben finanzieren?? Aber ja doch.. das schaff ich schon…
Dann der nächste Knaller:
Es war übrigens noch nie so, dass ein Praktikant bei uns irgendwas gemacht hat, was gesendet wurde. Auch Nachrichten lassen wir immer unsere Profis machen. Was ihre Aufgabe wäre, wäre das Betreuen unseres Stau- und Kundentelefons. Und sie arbeiten unseren Redakteuren zu, wenn diese sie brauchen.
Ehm ja…. (…) …
Rufen wir uns nochmal die Ausschreibung in den Kopf:
Wir suchen Leute, die in diese Richtung studieren.
Gerne auch, mit Erfahrung.
Ihr werdet keinen Kaffee kochen!
Entschuldigung. Kann ich vielleicht doch lieber Kaffee kochen? Da könnte ich eventuell tatsächlich was lernen!
Aber fertig war ich noch nicht. Ich sollte noch einen Test schreiben!
Einen Test.
Für ein unbezahltes Praktikum, in dem ich ans Stau-Telefon gehe…
Mit Fragen, die mir im Nachhinein nicht mal Leute, die schon über 50 Jahre in dieser Stadt leben, beantworten konnten…
U. N. B. E. Z. A. H. L. T.
Aber fuck it. Bullemie-Wissen ausgekotzt und meiner Meinung nach ganz gut angeschnitten.
„Alles klar vielen Dank für das nette Treffen, wir melden uns Anfang nächster Woche“
Mhm klar. Wir wissen beide, wie gut das klappen wird.
Wer konnte schon ahnen, dass ich wieder zwei Wochen auf die Brieftaube warten musste… Wär ja auch nicht schlimm gewesen. Die guten Menschen haben bestimmt auch besseres zu tun, als sich um so etwas zu kümmern… Aber dann sagt doch bitte einfach nicht „nächste Woche“ aka in sechs Arbeitsstunden…
„Wir melden uns“ hätte voll gereicht!
Sie wollen mich!
Was soll ich sagen… Sie wollten mich. Doch… warte… was?!
Vom xx.xx bis zum xx.xx? Das passt doch nicht. Warum habe ich euch meinen Rahmenstudienplan geschickt, wenn ihr dann fragt ob ich ein Praktikum wahrnehmen kann, dass eine Woche in meine Vorlesungen reicht???
Das wäre ja noch zu regeln gewesen.
Wäre da nicht die Sache mit dem lieben Geld…
Ganz im Ernst. Wie macht man das?
Wie ist man Mitte 20 und kann für drei Monate acht Stunden die Woche für lau arbeiten und trotzdem noch in einer Wohnung wohnen?
Ich bin ehrlich. Ich habe tatsächlich lange überlegt, wie ich dies hinbekommen würde, doch irgendwann kam ich zu dem Schluss, dass ich entweder ausziehen und auf der Straße leben müsste, oder aufhören sollte zu essen.
Absage par excellence
Ich zog mir also meine besten Klamotten an, setzte mich vor den Rechner und schrieb eine Absage, die sowas von höflich und aufpoliert war, dass selbst erfahrenste Korrekturleser nur im Ansatz gelesen haben, dass ich echt angepisst war. Was jedoch völlig o.k. war, denn das darf man ruhig lesen. Ich war nicht beleidigend, ich war nicht unfreundlich und ich denke ich habe meine Sache klar geschildert.
Ich lerne nichts, ich werde nicht bezahlt und der Zeitraum passt nicht. Absage. Punkt. Ende.
Plötzlich hatte die Brieftaube Steroide gekriegt, denn ich habe so schnell eine Antwort bekommen, dass man fast meinen könnte, dieses Internet funktioniert ohne Verzögerungen.
Ich musste aufstehen und gehen
Ich erlebe es nicht oft, aber immer mal wieder passiert es, dass ich Nachrichten, Mails, oder sonstiges bekomme und einfach aufstehen muss. Ich muss weg vom PC. Weg von dieser Nachricht. Bevor ich noch etwas schreibe, was ich mit etwas Abstand so sicherlich nicht verfasst hätte.
Eben so bei dieser Flaschenpost:
Lieber Herr H.,
Über den Zeitraum können wir reden. (Habe ich nicht das Gleiche gesagt?)
Andere Praktikanten gehen dann abends, oder am Wochenende arbeiten … und Sie hätten ja am Anfang der Semesterferien Zeit.
Aber ich muss Ihnen ja nicht das Leben erklären und hätte mir gewünscht, Sie hätten das gleich gesagt, dass Sie ein unbezahltes Praktikum gar nicht annehmen können.
Alles Gute
Alles Gute? F+++ Dich, alter. Was ist das für eine Antwort? Andere Praktikanten machen bla bla? Ja dann nehmt doch andere!
Mir das Leben erklären? Geht es noch??
Hätte mir gewünscht das eher zu wissen…??
ECHT? ICH HÄTTE MIR AUCH GEWÜNSCHT DAS EHER ZU WISSEN.
Ich soll keinen Kaffee kochen, aber ans Telefon gehen? Ja geil. Ich werde nichts Neues lernen? Ja geeeil! Ich werde nicht bezahlt und soll am Besten mein Leben diesem Telefon widmen? Ja GEIL.
Sie hätte es gerne eher gewusst… schrieb sie während ihrer bezahlten Arbeitszeit dem Typen, der sich einen Tag (in seinem richtigen Job! – Grüße gehen raus) freigenommen und drei Stunden seiner Zeit für diesen Bullshit geopfert hat. F YOU. Wirklich. Ich schreibe diesen Text hier, mit zwei Tagen Abstand und noch immer wird mein Hämmern auf die Tasten immer fester, weil es mich immer noch tierisch aufregt!
Ihr wollt billige Arbeitskräfte für eure Drecksarbeit? Dann schaut euch nicht bei den Studenten um. Die haben eh schon zu wenig Geld! Und kommt mir ja nicht mit diesem „Sie können ja nach Ihrer Arbeitszeit noch einen richtigen Job annehmen, oder am Wochenende arbeiten…“
Und JA, ich bin mir bewusst, dass es nicht viele Praktika gibt, die bezaht werden. Doch kenne ich das so, dass man nicht von irgendwelchen Wichtigtuern Mails bekommt, die sich lesen, wie samstag Abends um 0:52 Uhr bei WhatsApp geschrieben. Alter.
Ich habe mich nun zu lange hier aufgeregt. Wenn ihr bis hier hin gekommen seid,
VIELEN DANK,
wirklich. Das musste mal raus! Ich bin auch nicht der Typ von WhatsApp Sprachnachrichten. Ich verachte das, doch fragt mal den Konny, wie lange ich ihm auf sein Telefon gequatscht habe?! Man. (A.d.R. aka Konny: 6 fuckin Minuten und 31 sich ziehende Sekunden!!! Danke, Praktikumstante!!!)
Eigentlich sollte das Thema mit einem Post abgearbeitet sein. Doch bin ich nicht mal im Ansatz zu meiner Kernaussage gekommen. Außerdem will Konny selber noch von seinen Erfahrungen berichten. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, dieses Teil durch drei zu teilen. Nehmt das hier, als ersten Teil. Teil zwei folgt die Tage und der dritte dann… danach? Sofern dieses Internet das zulässt.
Ach und eure Kommentare mit „Ey was denkst du eigentich wer du bist? Ein Praktikum….“ bla bla. Spart euch die, bis ihr den nächsten Artikel zu diesem Theme hier lest. Falls es euch dann immer noch juckt, geht euch waschen und schreibt dann.
3 Comments
Is doch nen Praktikum. Was erwartest du?? Anstatt dankbar zu sein, dass man nen Job bekommt… verlangst wohl auch Geld für deine Uni Abgaben
Am Ende des Artikels steht, was wir von Lesern erwarten. Aber um dem Ganzen mal vorweg zu greifen: Nein, wir erwarten kein Geld. Sicher wäre es schön, aber nicht zwangsläufig ein Muss. Was wir jedoch erwarten ist, dass man etwas lernt und nicht nur die Drecksarbeit macht, von der man am Ende des Tages nichts hat. „Praktikum“ bedeutet nämlich, dass man neue Kentnisse erwirbt, vorhandene vertieft und praktisch anwendet.
Dinge zu tun, die absolut nichts mit dem zu tun haben, was man studiert gehört nicht zu der Kategorie „Is doch nen Praktikum“
Und dankbar sind wir für diese Art von Umgang sicherlich nicht. Nur weil man ein Praktikum machen möchte heißt es ja nicht direkt, dass man alles mit sich machen lassen muss…
Trotzdem, Danke für deine Meinung, auch wenn am Ende extra gesagt wurde: Wartet mit diesen Kommentaren, wir erklären uns noch…
Hallo Dotcom,
vielen Dank für ihre kurze Antwort.
Die großen Haie schlagen sich in der Chefetage die Bäuche voll. Für kleine Praktikanten bleiben in der Regel nur die Heringe. Doch genau die kleinen Heringe haben mir Hunger auf mehr gemacht. Ich habe von den Heringen geträumt und in meinen Träumen in ihnen gebadet. Die Heringe waren meine Muse, mein Antrieb, meine Motivation. Ich wollte ein Hai sein. Kein Praktikant. Ein Hai!
Die Praktikumsstelle ist ihre Chance auf einen Platz im Aquarium. Es erscheint Ihnen vielleicht als minderwertige Arbeit. Doch die Heringe sind nur der Anfang. An ihnen wachsen und irgendwann das Meer erreichen, das sollte ihr Fokus sein. Nicht das Praktikum. Denken sie groß.
Herbert Eiermeier